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Was ist ein schöner Garten?

Schönheit im Wandel der Zeit

Was ist ein schöner Garten? Und welche Rolle spielen Schönheit und Ästhetik im naturnahen Garten? Das weltweite Artensterben und der drastische Rückgang der Insekten in den letzten Dekaden fordern uns alle zum Handeln auf. Ökologisch wertvolle Grünflächen gewinnen deshalb in Siedlungsräumen der Schweiz zunehmend an Bedeutung. Dazu gehören auch die zahlreichen Kleingarten-Anlagen, mit denen wir einen ökologischen Beitrag für den Erhalt einheimischer Arten leisten können. Was die Insekten und Kleintiere brauchen, sind mit heimischen Pflanzen begrünte, naturnah gepflegte Grünflächen und Gärten.

Der Kleine Fuchs (Aglais urticae), eine weit verbreitete Schmetterlingsart in der Schweiz, sitzt auf einer Bartnelke in einem Schweizer Familiengarten. Was ist ein schöner Garten? Bild: Dirk Rahnenführer
Der Kleine Fuchs (Aglais urticae), eine weit verbreitete Schmetterlingsart in der Schweiz, sitzt auf einer Bartnelke in einem Schweizer Familiengarten. Was ist ein schöner Garten? Bild: Dirk Rahnenführer

Biologische Vielfalt

Die Biodiversität ist uns sehr wichtig! In einem Beitrag schreiben wir über die Roten Listen, die Indikatoren bei der Bewertung der Artenvielfalt darstellen. Ein Praxisbeispiel widmet sich der Thematik der Förderung der Bodenlebewesen.

Der naturnah gepflegte Garten steht dem Schönheitsideal traditioneller Gärten gegenüber. Er sieht wilder aus und fordert Betrachtende dazu auf, sich etwas Zeit zum Entdecken zu nehmen. Hier wachsen Blumen, Kräuter und Gemüse in Mischkulturen nebeneinander und beflügeln sich gegenseitig. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür ist das aus Südamerika stammende Milpa-Beet. Hier werden Mais, Bohnen und Kürbis miteinander kombiniert, die eine so traumhafte Symbiose bilden, dass sie auch als «die drei Schwestern» bezeichnet werden.

Für manche Augen sehen naturnah gepflegte Parzellen im Familiengarten allerdings «nicht so schön» aus oder werden gar als vernachlässigt oder ungepflegt missverstanden, was in einem Familiengarten im schlimmsten Fall zu einer Kündigung der Parzelle führen kann. Weshalb werden ökologisch wertvolle Gärten von manchen Menschen als «weniger schön» empfunden als ein «auf- und ausgeräumter Garten» oder gar ein kahles Beet? Um dies zu beantworten, lohnt es sich, der Frage nachzugehen, was denn schön ist.

Was ist schön?

Schönheit ist zunächst ein subjektiver Eindruck, der bei der Betrachtung und gleichzeitigen Bewertung eines Menschen oder eines Gegenstandes, hier eines Gartens, entsteht. Das Urteil, ob uns ein Garten gefällt, ist auch kulturell geprägt. Erinnert Ihr Euch beispielsweise an das Schönheitsideal der Epoche des Barock: üppige junge Damen mit Fettpölsterchen an Bauch, Beinen und Po. Es steht dem heutigen Ideal der sportlich-schlanken oder der knöchern-mageren Frau aus der Modeindustrie gegenüber. Je nach Gesellschaft ändert sich auch der Blick auf gebräunte Haut. Während im Westen gebräunte Haut mehrheitlich als schön und gesund angesehen wird, finden Menschen aus Südostasien einen hellen Teint attraktiver.

In der Gartenkunst, einem Privileg des Adels, hat sich das Schönheitsideal auch immer wieder verändert. Während die französischen Parkanlagen unter dem Sonnenkönig Ludwig XIV. im 17. Jahrhundert streng achsensymmetrisch angelegt wurden, liess der Gegentrend nicht lange auf sich warten: Der sogenannte «Englische Garten» will mit künstlichen Mitteln einen natürlichen Eindruck vermitteln. Das Erscheinungsbild eines Gartens ist auch in der Schweiz durch die repräsentativen Gärten der Oberschicht geprägt, die sich Fachkräfte für die Gartenarbeit leisten können.

Die Vorläufer der Schrebergärten sind einerseits Armenäcker oder wurden andererseits zur Beschäftigung für arbeitslose Männer angelegt. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde zur «Anbauschlacht» aufgerufen um so viele Nahrungsmittel wie möglich zu produzieren. Heute hat sich der Zweck des Gartens gewandelt. Er ist nicht mehr in erster Linie Nahrungslieferant. Erholung von der Arbeit, Kontakt mit der Natur und eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung für die ganze Familie sind in den Vordergrund getreten. Wer in der Schweiz hungrig ist, sind Insekten und Kleintiere, deren Lebensräume stark unter Druck sind.

Ordnung und Sauberkeit

Ordnung und Sauberkeit sind Werte, mit denen sich viele Menschen identifizieren. Wer seine Wohnung oder sein Haus ordentlich und sauber hält, vermittelt den Eindruck «alles im Griff» zu haben. Auch im Schrebergarten soll es ordentlich sein. Zurecht ist das Lagern von Gegenständen, die nichts mit der Gartenarbeit zu tun haben, untersagt. Im traditionell bewirtschafteten Garten entsteht der Eindruck von Ordnung durch die Gestaltung des Gartens. Dort sieht man zum einen relativ gleichförmige, rechteckige Beete. Zum andern hat jede Gemüsesorte ihren Platz.

Vielleicht kennt Ihr auch einen traditionell bewirtschafteten Garten, in dem pro Beet eine oder zwei Hauptkulturen wachsen. In einem Beet wachsen beispielsweise zwei Reihen Möhren und zwei Reihen Kopfsalat. Daneben finden sich Beete mit Buschbohnen, Kartoffeln, Kohl, etc. Zwischen den Kulturpflanzen wächst nichts. Spontanbewuchs wie Gräser, Disteln, Löwenzahn, Boretsch und wilder Nüsslisalat werden prinzipiell gejätet. Das erzeugt einen Eindruck von Sauberkeit. Wie in der Wohnung herumliegende Gegenstände aufgehoben werden, will man auch im Garten kein Kräutchen haben, das dort nicht gepflanzt wurde.

Ökonomie des Betrachtens

Die Ordnung im traditionell bewirtschafteten Garten erleichtert Passanten den visuellen Zugang. Der Garten und die einzelnen Beete sind auf den ersten Blick zu «lesen». Betrachtende solcher Gärten haben rasch einen Überblick. Ein aufgeräumter Garten wirkt übersichtlich und macht dem menschlichen Gehirn wenig Arbeit in der Wahrnehmung. Wer es in der Wohnung und im Haus ordentlich hat, mag das womöglich auch im Garten. Auf- und ausgeräumte Gärten haben aber einen klaren Nachteil. Sie bieten wenig Lebensraum für Tiere und Pflanzen.

Die Natur als Vorbild

Wer einen Beitrag für die Biodiversität leisten möchte, nimmt sich am besten die Natur als Vorbild. In der Natur gibt es keine nackten Böden. Lassen wir Spontanbewuchs zu, wenn es sich nicht um Problempflanzen wie Quecke, Ackerwinde, Bluthirse oder Ackerkratzdistel handelt. Schätzen wir den Wert der Gräser! Die schönen Pfeifengräser (Molinia), Schwingel (Festuca) oder auch Kopfgräser (Sesleria) sind alles attraktive Arten, die den Garten auch gestalterisch bereichern. Oder lasst leicht entfernbare Süssgräser (Paoceae) wie Knäuelgras (Dactylis glomerata) und Lieschgras (Phleum) stehen.

Die Aufgaben des SFGV

Die Förderung der biologischen Vielfalt ist auch ein zentrales Anliegen des Schweizer Familiengärtner-Verbands – SFGV, siehe zum Beispiel unseren Beitrag zum Internationalen Tag der biologischen Vielfalt und die Aufgaben des SFGV. In unserer Verbandszeitschrift Gartenfreund / Jardin Vivant ist dies ebenfalls ein wiederkehrendes Thema.

Gut zu wissen: Einheimische Heuschrecken werden uns nicht das Gemüsebeet leer fressen – ganz im Gegenteil. Einige Grashüpfer sind Insektenjäger und haben es auf Blattläuse, Käferlarven und Fliegen abgesehen. Für Vögel, Igel, Spinnen und Spitzmäuse sind Heuschrecken wiederum eine Delikatesse und wichtige Nahrungsquelle. Die gewöhnliche Eselsdistel (Onopordum acanthium) ist eine wichtige Nahrungsquelle für samenfressende Vögel, wie den von BirdLife Schweiz zum Vogel des Jahres 2023 gekürten Distelfinken. Gerne pickt der Distelfink die, bevor er zur nächsten Distel fliegt.

Auch unser persönliches Schönheitsempfinden wandelt sich immer wieder. Zum einen durch Einflüsse von aussen, zum andern kann man sich aber auch selbst umprogrammieren. Wer sich bewusst macht, wie wertvoll ein naturnah gepflegter Garten für die Tier- und Pflanzenwelt ist, wird ihn als «schöner» empfinden als auf- und ausgeräumte Beete. Der Mensch hat zudem die Fähigkeit nach Zusammenhang zu unterscheiden. Es schliesst sich nämlich nicht aus, einen aufgeräumten Wohnraum zu bevorzugen und gleichzeitig über die Pracht des Dschungels zu staunen. Die Artenvielfalt ist nirgends so hoch wie in den Tropen, wo zwei Drittel aller bekannten Tier- und Pflanzenarten leben. Um die Biodiversität in unseren Breiten zu fördern, ist naturnahes Gärtnern sicher ein guter Anfang.

Rahel Meier

6 Gedanken zu „Was ist ein schöner Garten?“

  1. Ein großartiger Artikel, der die Bedeutung von naturnahen Gärten für die Biodiversität hervorhebt! Die Parallelen zwischen Gartengestaltung und gesellschaftlichen Schönheitsidealen sind sehr aufschlussreich. Es ist wichtig, dass wir unsere Wahrnehmung von Schönheit erweitern, um die ökologische Vielfalt in unseren Gärten zu fördern. Danke für diesen inspirierenden und aufklärenden Beitrag!

    Antworte auf S.W.
  2. Thank you so much for this very well written article!
    Love how you walk the reader through out the history of gardens in time, painting imaginary images of splendorous green oasis. And yet making us think what it is the true purpose of such manicured beauty?
    Gardens belong to the ecosystem that inhabits them and we are just their guardians and preservers. Really like your line: “There is no bare soil in nature“
    It is the most powerful statement I have heard So far!
    And is so true.
    Love what you are doing and I would love to learn more from you on how we can keep the natural carpet of Mother Earth true to her colors and origins. 😍

    Antworte auf Monica Filippelli
  3. Ganz schön, übersichtlich und gleichzeitig so reichhaltig geschrieben, wie ein Naturgarten! Hätten wir so einen Artikel der Verwaltung am Zürichberg vorweisen können, wäre vielleicht unsere naturreiche arbeitsintensive Parzelle nicht gekündigt. Aber es waren andere Zeiten halt, mit ihren eigenen „Idealen“))

    Antworte auf Natascha
  4. So verschieden wie auch wir Menschen sind so verschieden sind tatsächlich auch die Ansichten was ein schöner Garten ist. Ich wünsche mir sehr, dass das Interesse derer die das Privileg haben Gärten zu bewirtschaften wieder viel mehr darin besteht, möglichst viele Nutzen für die Natur in der wir zuhause sein dürfen zu erlangen.

    Antworte auf Cecilia Meier

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