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Familiengärten immer stärker von Nutzungskonflikten betroffen

Der Schweizer Familiengärtner-Verband (SFGV) stellt auch dieses Jahr wieder fest, dass der Druck auf den Fortbestand der Familiengärten in der Schweiz stetig steigt. Das Familiengartenwesen ist durch die gesellschaftlichen und räumlichen Entwicklungen im Wandel begriffen. Nutzungskonflikte nehmen zu.

Unsere Schweizer Familiengärten sind nicht nur durch die Schaffung von mehr Wohnraum und den Ausbau von Strassen bedroht. Wachsende Interessenskonflikte ergeben sich auch aus anderen Gründen. Stichworte dazu sind etwa: Natur- und Umweltschutz sowie Hochwasserschutz (vgl. nachfolgend das Beispiel «Lebendige Limmat»). Ferner die Energiewende (Beispiel: geplanter Energiehub auf dem Berner Familiengartenareal «Schermenwald») und die Schaffung öffentlicher Naherholungsräume (vgl. das nachfolgende Beispiel für die Stadt Zürich, «122. 2023/475 Postulat Severin Meier [(SP] und Dr. Roland Hohmann [Grüne] vom 04.10.2023]).

Eine Wasseramsel in Tegerfelden (AG), Schweiz. Auch unsere Fauna ist von Nutzungskonflikten betroffen. Bild mit freundlicher Genehmigung von Matthias Villiger
Eine Wasseramsel in Tegerfelden (AG), Schweiz. Auch unsere Fauna ist von Nutzungskonflikten betroffen. Bild mit freundlicher Genehmigung von Matthias Villiger

Die Forderung, die Einzelgärten zu öffnen oder durch andere Nutzungsarten oder Bewirtschaftungsformen abzulösen, kennen wir auch aus der Stadt Bern. Ein wichtiger Motor für diese Entwicklung ist die Tatsache, dass für mehr Menschen immer weniger Grünfläche zur Verfügung steht.

Die traditionellen Familiengärten sehen sich somit heute mit den verschiedensten Interessen konfrontiert, die ihren Fortbestand in Frage stellen, die aber ebenfalls eine Rechtfertigung haben, etwa der Natur- oder Hochwasserschutz. Auf kantonaler Ebene kennt nur Basel-Stadt eine gesetzliche Pflicht, für aufgehobene Familiengärten flächenmässigen Ersatz zu bieten.

Beispiel Revitalisierung von Gewässern, Hochwasserschutz

Im Kanton Zürich benötigt das Revitalisierungsprojekt «Lebendige Limmat» vom Gartenareal Betschenrohr in Zürich-Schlieren viel Fläche: 187 Familiengärten sollen der Limmatverbreiterung weichen.

Der Bund hat anfangs 2011 das Gewässerschutzgesetz und die dazugehörige Verordnung revidiert. Seither sind die Kantone verpflichtet, entlang der meisten Gewässer einen minimalen Gewässerraum festzulegen und zu sichern. Revitalisiert werden muss allerdings nur rund ein Viertel dieser Gewässer. Die Kantone mussten bis 2014 strategische Revitalisierungsplanungen durchzuführen, die sie periodisch erneuern. Die zur Revitalisierung vorgesehenen Gewässerabschnitte der ersten Priorität betreffen den Zeitraum 2015-2035. Die Umsetzung erfolgt durch die Gemeinden oder den betroffenen Kanton.  Alle Familiengärten, deren Areale in der Nähe von Gewässern liegen, könnten von Revitalisierungsprojekten betroffen sein. Die jeweilige kantonale Revitalisierungsplanung gibt darüber Auskunft.

Die Limmat wurde vor über 100 Jahren kanalisiert und begradigt. Nun soll das 3,2 km lange Teilstück der Limmat zwischen Schlieren, Ober- und Unterengstringen revitalisiert werden. Es ist der letzte Teil der Zürcher Limmat, beim dem das noch möglich ist. Die Limmat soll einen Teil jenes Raums zurückerhalten, um den sie damals verkleinert wurde. Ferner enthält das Projekt Massnahmen dem Schutz des Siedlungsraums vor Überschwemmungen.

Eisvogel in Umiken, Aargau (Schweiz). Bild: Matthias Villiger
Ein Eisvogel in Umiken, Aargau, Schweiz. Bild: Matthias Villiger

Beispiel Umnutzung von Einzelgärten

In Zürich gibt es aktuell rund 5’500 Gartenparzellen. Sie werden von 13 Familiengarten-Ortsvereinen verpachtet und gehören der Stadt. Die Wartelisten sind lang.

Künftig könnte es aber noch schwieriger werden, an einen Zürcher Schrebergarten zu gelangen. SP und Grüne haben am 6. Oktober 2023 das Postulat «Umnutzung eines Teils der Familiengärten hinsichtlich einer öffentlichen und alternativen Nutzung» eingereicht.

Nach Meinung der Postulanten ist die Idee des Familiengartens, die aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammt, überholt. Durch die Umwandlung eines Teils der Familiengärten in öffentlich zugängliche Bereiche würden wertvolle Freiflächen geschaffen, die von allen Stadtbewohnenden genutzt werden könnten. Eine solche Massnahme stärke die soziale Integration und Interaktion. Heute seien die Gärten oft exklusiv für bestimmte Privatpersonen oder Gruppen reserviert. Als alternative Nutzungen kämen beispielsweise «urban gardening/farming», Spielplätze und Grillplätze in Betracht.

Nutzungskonflikte betreffen Familiengärten

Die Neuausrichtung eines Teils der Gartenanlagen solle jedoch graduell, erst beim Auslaufen von bestehenden Pachtverträgen erfolgen. Trotz der öffentlichen Nutzung der Familiengärten solle das Gärtnern – Pflanzen, Jäten und Ernten – weiterhin im Vordergrund stehen. Zudem solle bei der Neuausrichtung Biodiversität fördernde ökologische Nutzung bevorzugt werden. Der Gemeinderat der Stadt Zürich hat am 1. November 2023 über das Postulat beraten. Der Stadtrat zeigte sich bereit, das Postulat zur Prüfung entgegenzunehmen. Sebastian Vogel (FDP) stellt namens der FDP-Fraktion jedoch einen Ablehnungsantrag. Damit wurde das Geschäft vorläufig vertagt (Auszug aus dem Beschlussprotokoll vom 01.11.2023).

Matthias Villiger

Die Bilder in diesem Beitrag hat uns freundlicherweise Matthias Villiger zur Verfügung gestellt. Matthias Villiger ist Vogel- und Insektenfotograf aus der Schweiz. Mehr Bilder zeigt er auf seinem Insta-Account wildnature.mv.

Jacqueline Cortesi , Regionalvertreterin Bern Stadt in den Vorständen FGVB und SFGV

3 Gedanken zu „Familiengärten immer stärker von Nutzungskonflikten betroffen“

  1. Ich erlebe es so: es gibt vereinzelt Menschen, die sagen, ich möchte deinen Schreber- bzw. Familiengarten gerne besuchen kommen, das interessiert mich was du darüber erzählst, und den grossen Rest interessiert es nicht, weil selber Gemüse anbauen für sie langweilig ist (Schrebergarten = klischeehaft). Es ist wichtig, dass ich hier weiterhin und unaufhörlich Aufklärungspolitik betreibe und informiere, dass Schrebergartenareale nicht nur für den eigenen Gemüseanbau dienen, sondern in erster Linie einen biodiversitären Sinn mitten in einer Großstadt darstellen. Sprich; eine Oase für die Natur erschaffen kann.
    Leider stehen hier die Profitgier der Wirtschaft und das Politikunverständnis im Vordergrund.
    Fakt für mich ist: ich betreibe weiterhin Aufklärungsinformation.

    Antworte auf Susanne Meier
    • Das finde ich toll. Danke für diesen Hinweis. Die Gärten sind für die Biodiversität in der Tat ganz wichtig. Dies nicht nur für sich allein genommen, sondern auch als Teile eines grösseren Puzzles, nämlich für die Vernetzung von Grünflächen und den Austausch der Lebewesen über verschiedene Flächen hinweg. Je mehr überbaut wird, desto mehr gewinnt dieses Argument zum Erhalt der Familiengärten bzw. solcher Biodiversitätsflächen an Gewicht.
      Eine gewisse Öffnung der Schrebergärten finde ich übrigens auch geeignet, dieses Verständnis in breiten Teilen der Bevölkerung zu fördern. Eine denkbare Massnahme ist sicher der (in aller Regel bereits praktizierte) Einbezug von Familienangehörigen, Freunden und Nachbar*innen , indem die Pächterinnen bzw. Pächter diese Personen zu sich auf die Parzelle einladen oder sie mit Teilen der Ernte beschenken. Tage der offenen Gärten sind ebenfalls eine gute Idee, oder die Verpachtung eines Beetes an eine Schulklasse. Möglichkeiten gibt es viele, es empfiehlt sich, sie vermehrt auszuprobieren.

      Antworte auf Jacqueline Cortesi
  2. Und noch das hier: Ich hätte mich bis anhin nie getraut, ein Areal als spontane Besucherin zu betreten. Meine Frage stellt sich jetzt: Warum sind Familiengärten kein Begegnungsort für die Einwohner? Genügt es, einmal im Jahr das sogenannte Sommerfest zu veranstalten?
    Wenn der Verein sich hier mehr öffnen kann erreichen wir mehr Präsenz und Sinnhaftigkeit.

    Antworte auf Susanne Meier

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