Rahel Meier und Anton Winkler erzählen, wie sie Bodenlebewesen in ihrem Familiengarten fördern und somit eine gesunde und nachhaltige Bodenstruktur auf 200 Quadratmetern schaffen.
Bodenverbesserung: Die Transformation unseres Schrebergartens
Im November 2021 erhalten wir überraschend rasch einen Schrebergarten im Unteren Paradies des Familiengartenvereins Süd in Wollishofen. Wenige Gehminuten von Zuhause an einer guten Lage starten wir mit den Vorbereitungen und der Planung unserer 200 Quadratmeter grossen Parzelle. Vor Ort fertigen wir Skizzen vom Areal an, zeichnen die aktuellen Wege ein und überlegen uns ein neues Design. Für uns ist klar, dass wir keine 08/15 Einteilung wollen.
Wir entscheiden uns für eine Spirale, die wir aus flachen Natursteinplatten gestalten. Bild 1 zeigt den Zustand unseres Gartens im März 2022. Zu sehen ist das mit Bio-Heu bedeckte Gemüsebeet. Ungefähr in der Mitte der Spirale setzen wir einen kleinen und ertragreichen Apfelbaum, den wir vorher auf unserem Balkongarten hatten. Die Idee ist, dass die Kinder der Spirale entlang ins Zentrum spazieren und dort einen saftigen Apfel ernten. Um die Wurzeln des Apfelbäumchen vor Wühlmausfrass zu schützen, setzten wir einen Cassisstrauch dazu.
Warum wir das alte Gartenhäuschen bewahren
Das heruntergekommene Gartenhäuschen wollen wir im ersten Moment abreissen und durch einen Neubau ersetzen. Als Neupächter dürfen wir das aber nicht, also arrangieren wir uns damit. Wir reinigen das Häuschen samt Scheiben, den Unterstand, die Kisten und Böden, so gut es geht, und gewöhnen uns an den Anblick. Hinter dem Haus flicken wir die Werkzeugkästen und schätzen den Nutzen des Unterstandes und des Häuschens immer mehr. Die grosse Tochter liest gerne im Häuschen oder verkriecht sich dort mit ihren Freundinnen.
Im Beitrag von Better Gardens lesen wir, dass neue Gartenhäuschen oft eine Hemmschwelle für weniger wohlhabende Gartenfreunde sein können. Der Abriss von bereits bestehender Struktur ist kostspielig und vor allem nicht ökologisch. Das Dach wurde bereits von unserer Vormieterin neu hergerichtet und bietet sich an, um das Regenwasser über die Dachrinne in unsere knapp 1000 Liter fassende Regentonne abzuleiten. Damit uns Nachmieter:innen in Zukunft kein teures Häuschen abkaufen müssen, pflegen und bewahren wir das alte, bescheidene Häuschen. Uns dient es insbesondere als Lagerraum für Gartenstühle, Sonnenschirm, Geschirr, kleine Werkzeuge, Picknick-Decke und Saatgut.
Gartenhaus im Schrebergarten
Ein Gartenhaus im Schrebergarten kann in der Tat schnell kostspielig werden. Auf unserer Seite findet ihr einen Beitrag zu der Frage Soll ich mein Gartenhaus im Schrebergarten versichern?
Gartenberatung von Permakultur-Experten: Der Schlüssel zur Bodengesundheit
Ganz ehrlich: Wir hatten bei der Übernahme unserer Parzelle wenig Erfahrung im Gärtnern. Die Wintermonate nutzen wir, um uns mit zahlreichen YouTube-Videos von Back to Reality in Themen wie Biogarten, Permakultur und naturnahes Gärtnern einzuarbeiten. Klar wird, dass wir unseren Garten kennen lernen und beurteilen müssen. Aber wie geht das? Unsere Vorgängerin will sich nicht mit uns austauschen. Sie hat uns die Parzelle komplett umgestochen übergeben, so dass alle Spuren verwischt sind. Aller Anfang ist schwer, und wir wollen es gut machen. Die ersten Pflänzchen spriessen, und so entscheiden wir uns zum Jahresbeginn 2022 dazu, einen Gartenexperten einzuladen.
Ende Februar begehen wir mit Beat Rölli unseren Garten. Er sticht Erdprofile aus und nimmt mehrere Bodenproben, um den pH-Wert unserer Erde zu bestimmen. Das Erdprofil zeigt relativ wenig humose Erde über einer dicken Lehmschicht. Dies liegt an der geografischen Lage. Der Schrebergarten wurde auf einer lehmreichen Moräne angelegt.
Lebendiger Boden
Beat Rölli erklärt uns, dass wir uns in erster Linie um die Bodenlebewesen kümmern sollen. Je lebendiger der Boden, desto gesünder und fruchtbarer ist er. Um die Bodenlebewesen zu fördern rät er Folgendes:
Bodenlebewesen fördern
- Den Boden möglichst nicht umstechen oder umgraben
- Den Boden wenn möglich immer begrünt halten
- Freie Erde rasch mit Mulch (Heu, Stroh, Gras, Blätter) oder 100% biologisch abbaubarer Folie bedecken
- Wurzeln als Nahrung für die Bodenlebewesen im Erdreich belassen
Diese Massnahmen wirken dem Austrocknen der oberen Bodenschicht entgegen und fördern die Vermehrung der Bodenlebewesen. Pflanzen besitzen ein soziales Netzwerk, das im Untergrund arbeitet. Feine Pilzfäden senden elektrische Impulse, die unserem Nervensystem ähneln und ermöglichen dadurch, dass benachbarte Pflanzen Informationen und Nährstoffe austauschen. Dieses Kommunikationssystem breitet sich aus, wenn es ungestört bleibt, sprich, wenn der Boden nicht umgegraben wird. Es wäre wichtig, dass Gartenvereine die Parzellen nicht mehr komplett umgegraben übergeben.
Kartonplatten und Maisfolie als Helferinnen
Da wir den Garten komplett umgestochen übernehmen, wissen wir nicht, was wo wächst. Aus diesem Grund empfiehlt unser Gartenberater eine biologisch abbaubare Folie zu verwenden. So können wir sehen, welche Pflanzen die Samenbank unserer Parzelle bereithält. Wir nehmen uns die Tipps zu Herzen und bestellen online eine 100% biologisch abbaubare Folie aus Mais- und Kartoffelstärke. Diese bringen wir neben grossen Kartons auf unserer Parzelle aus und sammeln Erfahrungen, die wir hier gerne teilen.
Die Folie bringen wir zu zweit aus, wenn es gerade möglichst windstill ist. Um die Folie zu befestigen, verwenden wir Steine und die Wegplatten und bedecken das Ganze zusätzlich mit Heu. Das Heu liefert uns eine Bäuerin vom nahe gelegenen Biobauernhof. Damit der Wind das Heu nicht davon bläst, begiessen wir es mit Wasser.
Gegen lichtkeimende Pflanzen, wie die meisten Kräuterarten, sowie Roggen und Senf funktionieren beide Bodenbedeckungen sehr gut. Die ausdauernde Pfeilkresse bohrt sich mit ihrem spitzen, harten Trieb – wie der Name schon sagt – wie ein Pfeil durch die Folie. Auch die unliebsame Ackerwinde sucht sich ihren Weg ans Licht. Tulpen bilden als Überdauerungsorgan Zwiebeln, in denen viel Power steckt. Sie drücken so lange gegen die Folie, bis sie selbst oder wir ihnen die Folie aufreissen.
Beim Karton haben wir das Problem, dass der Wind ihn teilweise verbläst. Zudem erfahren wir im Buch How plants Work von Linda Chalker-Scott (2015), dass Böden viel Sauerstoff brauchen und deshalb Karton nur für kurze Zeit ausgebracht werden soll. Die Folie nutzen wir nur im ersten Jahr, weil sie das Sähen verunmöglicht. Kartoffeln und Setzlinge können zwar durch eine Öffnung in den Boden gelangen, das entstandene Loch ist aber oft so gross, dass dort alle möglichen Beikräuter an die Oberfläche kommen. Leider haben sich auch die Ackerwinden unter der Oberfläche gut verbreitet…
Bodenverbesserer
Gründünger verwenden wir von Anfang an, um Bodenlebewesen zu die Bodenverbesserung zu fördern. Auf unserem lehmigen Boden wachsen anspruchslose Pflanzen wie Senf und Ölrettich besonders gut. Beide wurzeln tief und erschliessen so wichtige Nährstoffe für die nachfolgenden Kulturpflanzen. Die dicken Pfahlwurzeln des Ölrettichs dringen mehrere Meter tief ins Erdreich ein. Die Wurzeln lassen wir als Futterquelle für Bodenlebewesen in der Erde. Die Hohlstellen füllen sich dann mit Humus und lockerer Erde und erleichtern zarteren Pflanzen das Auswurzeln.
Was ist ein schöner Garten?
Schönheit ist ja bekanntlich subjektiv. Aber was ist ein schöner Garten? Was ist überhaupt schön? In dem Beitrag Was ist ein schöner Garten? hat sich Rahel mit diesem Thema auseinandergesetzt.
Untersaat und Gründünger als Bodenbedeckung
Ab Ende des ersten Jahres probieren wir anstatt der Folie oder des Kartons etwas Neues aus. Wir bedecken den Boden mit Gründünger. Dafür wählen wir die von Zollinger Bio bereitgestellten Mischungen namens „Winterpause“ mit Leindotter, Wintererbsen, Roggen und Zottelwicke, sowie die Mischung „Green Carbon Fix“ von Sativa als Untersaat, das die Blattgesundheit der Hauptkultur fördert und Beikräuter unterdrückt. Letzteres weist einen hohen Gräseranteil auf und ist für trockene und wechselfeuchte Standorte geeignet. Enthalten sind unter anderem Englisches Raigras, Lieschgras und diverse Kleesorten.
Die Winterpause ist ein voller Erfolg. Wir säen sie im Herbst. Aus den relativ grossen Samen der Erbsen und des Roggen entwickeln sich zuverlässig Pflanzen. Im Winter bleiben sie zunächst noch klein, bedeckten aber bereits den Boden. Im Frühjahr nutzen sie den Vorsprung und wachsen zu ansehnlich Erbsen und Getreidepflanzen heran. Der Roggen erreicht die Höhe unseres Maises aus dem Herbst! Auch die Zottelwicke entwickelt sich gut. Nur der Leindotter will sich auf unserem Boden nicht recht durchsetzen. Seine Samen sind winzig. Es ist unsere Erfahrung, dass kleine Samen im Allgemeinen schwieriger sind. Aus den unzähligen Samen kommt auf unserem Boden nur eine einzige erwachsene Pflanze hervor.
Im Frühjahr, noch bevor die Erbsen und die Zottelwicken blühen, arbeiteten wir einen Teil der Winterpause als Stickstoffdüngung in den Boden ein. Einen anderen Teil lassen wir für die Insekten stehen. Zu unserer Überraschung ziehen die Blüten einen besonderen Gast an: Die Holzbiene (Bild 2). Sie hat eine Vorliebe für die schönen Schmetterlingsblüten. Wir durften das Schauspiel über Wochen in unserem Garten beobachten.
Von der Spirale zur Sonne: Neugestaltung des Gartens
So schön wir die Spirale finden, so hat sie doch einen Nachteil: Die Steinplatten erschweren uns die Vorbereitung des Bodens für eine neue Saat. Zwischen den Platten wachsen Gräser, die wir nicht haben wollen, und auch die Ackerwinde hat hier leichtes Spiel. Zudem wird etwa ein Viertel der Spirale von den nahe gelegenen Pfefferminzpflanzen überwachsen. Auch wenn Ölrettich oder Senfpflanzen zwischen den Platten aufgehen, versperren sie den Durchgang. Wir gestalten den Bereich um. Die Natursteinplatten der innersten Windung der Spirale formen wir zu einem Kreis mit dem Apfelbäumchen im Zentrum. Darum herum wachsen bereits vorgezogene und dort im Kreis gesetzte Löwenmäulchen, zwei Margeriten und Spitzwegerich. In alle vier Himmelsrichtungen laufen gerade Gehwege aus. Die so entstandenen Trapeze sind leichter zu bewirtschaften und zu kontrollieren. Im Bild 3 ist der Zustand vom Garten im August 2023 zu sehen.
Der blühende Schrebergarten im Oktober 2023
Im Herbst 2023 blühen unsere Beete weiterhin in zahlreichen Farben und sind nahezu vollständig begrünt. Wir sind von der Artenvielfalt in unserem Garten beeindruckt und freuen uns auf die kommende Saison.
Rahel Meier und Anton Winkler
Wir sind voller Bewunderung für den inhaltlich fundierten Bericht. Rahel und Anton haben sich offenbar in ihre 200 qm Garten verliebt. Mit Tatkraft, Sensibilität für die Natur haben sie ihrem Garten wieder Leben „eingehaucht“ und wohl dabei riskiert, dass zeitweise nicht alles gelingt bzw. „ordentlich“ aussieht. Als Leser ist man geradezu gerührt von soviel Zuwendung zu ihrer „Scholle“ und der Lust ihre Arbeit in treffende Worte zu fassen. Dem Schweizer Familiengärtner-Verband möchte man gratulieren.
Vielen Dank für eure Kommentare und natürlich auch für den Beitrag von Rahel und Anton. Rahel und ich hatten erstmals Kontakt aufgrund meines Beitrags für den VFD-Wettbewerb Biodiversität. Das Netzwerk funktioniert also. 😊
Im September 2023 habe ich die beiden in ihrem Garten in Wollishofen besucht und war beeindruckt von ihrem Engagement. Dabei musste ich an das denken, was Philipp gesagt hatte, als wir ihn im Rahmen des Wettbewerbs Biodiversität in seinem Garten in Dübendorf besucht hatten: Man müsse einen Garten eigentlich erklären. Und je mehr Rahel und Anton mir erklärten, desto beeindruckter war ich. Und dann haben sie diesen tollen Beitrag für uns verfasst.
Danke und Gruss
Dirk, Webmaster SFGV
Vielen Dank für euren schönen Kommentar ❤️
Es ist klar zu sehen, wenn jemand wirklich Interesse zeigt und sich mit Kopf und Herz darum bemüht, wird das Resultat beeindruckend! Jede und jeder kann einen grünen Daumen haben!
Und die Bodengesundheit bedeutet eine bessere Zukunft für uns alle!
Danke für den interessanten Bericht.
Ein Superartikel! Es ist beachtenswert, wie engagiert sich Rahel und Anton um ihren Garten kümmern.
Ich bin erstaunt, dass es erlaubt ist, einen Familiengarten in Zürich umzustechen. Das ist für mich ein absolutes Tabu. Die 4 Rölli-Massnahmen sollten Standard sein.
Die 4 Rölli-Massnahmen – schön von dir zusammengefasst. Schon alleine Massnahme Nummer 1: “Den Boden möglichst nicht umstechen oder umgraben”: Ein gutes Beispiel hierfür ist Fabiana, die in Zürich einen Garten hegt und das ‘no dig’-Prinzip praktiziert, sprich, ohne den Boden zu graben. Die Erträge aus ihrem natürlich bewirtschafteten Garten sind beeindruckend. Hier ist ihr Instagram-Profil: schrebergarten_428.
Vielen Dank für den interessanten Beitrag. Die Inputs sind für Novizen, die auch einen Garten anlegen wollen, sehr hilfreich.
Danke Rose, das hat mich auch am Beitrag von Rahel und Anton gefreut.
Wir stehen vor grossen Veränderungen und Herausforderungen, auf die wir entsprechend in den anderen Beiträgen unseres Gartenblogs eingehen. Der Beitrag von den beiden ist diesbezüglich eben ein sehr schönes Beispiel, was einzelne Personen tun können, ganz pragmatisch, eben ein Praxisbeispiel.
Der Gartenblog soll uns aber auch helfen, dass wir uns besser vernetzen, unterstützen und austauschen. Das gilt nicht nur in innerhalb Verbands, sondern ebenso auch für den Austausch mit anderen Bündnispartnern.
Eure Geschichte ist wirklich inspirierend! Die Art und Weise, wie ihr euren Schrebergarten gestaltet und dabei auf Nachhaltigkeit und den Erhalt der Bodenqualität achtet, verdient großen Respekt. Es erinnert uns daran, wie wichtig es ist, die Natur und Bodenlebewesen in unseren Gärten zu fördern. Vielen Dank für die wertvollen Einblicke und die Motivation, es euch gleichzutun!
So bewundernswert und vorbildlich, wie Rahel und Anton sich eingesetzt haben und es weiterhin tun für ihren schönen Garten. Man spürt, dass das von Herzen kommt – auf dass es weiterhin spriesst und grünt und kreucht und fleucht💕
Vielen Dank für den spannenden Beitrag, ich habe viel gelernt – und bin froh, dass auch in den Schweizer Schrebergärten Prinzipien wie Nachhaltigkeit und Unweltverträglichkeit immer mehr Einzug halten.
Eine inspierende und schön geschilderte Geschichte zu eurem Schrebergarten, den ihr mit Herzblut gestaltet habt. Auf die weiteren Entwicklungen und Gewächse bin ich schon gespannt 🙂
Vielen Dank für den inspirierenden Beitrag. Ich habe meinen ersten Gartensommer hinter mir und bin auf viele Hindernisse gestossen. Es braucht Geduld und eben auch beflügelnde Tipps. Vielen Dank!